Traust dich ja eh nicht: Wer hat Angst vor Marcel Proust?

Traust dich ja eh nicht: Wer hat Angst vor Marcel Proust?

logo_lgbMarcel Prousts siebenbändiges Roman-Monument „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ ist ein Klassiker der Weltliteratur. Gelesen haben es die wenigsten. Tausende von Seiten detailgenauer Beschreibungen – quasi in Echtzeit – machen Angst. Vor verlorener Zeit, gähnender Langeweile, dem Scheitern. Die Literarische Gesellschaft Bochum und das prinz regent theater fordern dich heraus! Traust du dich?! Von Sarah Meyer-Dietrich.



Wer hat Angst vor Marcel Proust? Keiner? Und wenn er kommt? Dann laufen wir. Weg nämlich. Ganz schnell. Proust holt uns bestimmt nicht ein. Schließlich ist er ein Vertreter der Langsamkeit. Und sowieso längst tot.

Aber Angst macht ja auch nicht Proust als Person, sondern vor allem sein Roman-Monument „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Dieses mehrere tausend Seiten lange Werk. Diese konsequente Verlangsamung der Erzählzeit.

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Wie viele Menschen sich an die Proust-Lektüre gar nicht erst herantrauen, zeigt ein kleiner Blick ins Internet.

Auf Common Reader etwa lässt sich nachlesen:

Es gibt Bücher, an denen man scheitert. Es gibt sogar solche, denen man in Vorfeld schon ansieht, dass man an ihnen scheitern wird. Diese Bücher nehme ich vorsichtshalber gar nicht erst in die Hand. Deshalb gehöre ich zu den zweifellos vielen Menschen, die Proust bislang nicht angefasst haben. Geschweige denn gelesen. Und ich werde es in diesem Leben vermutlich auch nicht mehr tun.

Auf ratschlag24.com heißt es:

Marcel Prousts Mammutwerk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ gehört zu den bekanntesten unbekannten Werken der Weltliteratur. Es schreckt wohl ab, sich auf über 4000 Seiten einlassen zu sollen und noch nicht einmal vorher erfahren zu können, worum es denn nun wirklich geht. Eine angemessene Inhaltsangabe ist leider unmöglich.


Schließlich schreibt Joachim Huber im Tagesspiegel:

Der Romanzyklus „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“, geschrieben von Marcel Proust von 1908 bis 1922, trägt alle Insignien jener Literatur, die mehr gefeiert als gelesen wird. Nicht nur für den eiligen Leser ist es eine Herausforderung, der Schilderung des Fallens eines Regentropfens über zahlreiche Seiten zu folgen.


Und tatsächlich wird „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ auch beim Projekt „Bibliothek der ungelesenen Bücher“ mit am häufigsten genannt.

So bleibt Proust – oft gekauft & gerühmt, selten gelesen – als dekoratives Accessoire im Bücherregal stehen. Sieht so schön intellektuell aus.

Aber: Kampflos aufgeben ist keine Option!


Es gibt Menschen, die versuchen Proust zu lesen. Und beschreiben das auch recht eindrücklich.


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Ein nicht auf Anhieb so richtig erfolgreicher Versuch findet sich zum Beispiel auf „Marcel – Le Blog“ in einer Art Lesetagebuch:

I have now read the first 50 pages of Swann’s Way, alternately the „Overture“ or simply „Combray: I,“ four times. Each time I have been distracted by one thing or another; each time I have failed to move on to „Combray: II.“


Ein viel erfolgreicheres Proust-Lesetagebuch hingegen hat Jochen Schmidt verfasst. Den ganzen Proust gelesen, per Blog die Leseeindrücke verarbeitet – und damit nicht nur lesetechnisch, sondern gar ökonomisch erfolgreich gewesen. Schmidts Lesetagebuch ist auch als Printausgabe und Hörbuch zu haben.

Auszug aus seinem Blog gefällig?

Voilà:

Man hat ja schon manche dicke Bücher geschafft, aber Prousts Roman hat in 7 Bänden mehr als 3500 Seiten. Wenn ich täglich 20 Seiten lese, bin ich in 180 Tagen durch, also Mitte Januar. Lohnt sich das? Vielleicht wird am Ende gar nicht verraten, wer der Mörder war? Der wahre Grund für mich, Proust zu lesen, ist, daß ich dann vielleicht endlich Becketts Proust-Essay verstehe, an dem ich immer gescheitert bin. Und selbst, wenn es nicht reicht, Proust zu lesen, um Becketts Proust-Essay zu verstehen, wird man zumindest wissen, was Proust geschrieben hat. Zu wissen, was Proust geschrieben hat, ist sicher das Minimalziel einer Proust-Lektüre.


Jemand, der ebenfalls die komplette Ausgabe von „Auf der Suche …“ gelesen hat, ist Dr. Ralf Köhnen, der Vorsitzende der Literarischen Gesellschaft Bochum. Aber es kommt noch besser: Er hat das Werk nicht nur gelesen, sondern auch noch ein Best-Of zusammengestellt, eine Art „Proust für Schnüffler“, eine kompakte Strichfassung, aus der Schauspieler Stephan Ullrich im Bochumer prinz regent theater ab dem 24. September 2012 an insgesamt zehn Montagabenden lesen wird.

Die Literarische Gesellschaft Bochum macht es euch also leicht: Best-of-Proust und dann noch fachmännisch vorgelesen. Wer findet jetzt noch einen Grund zu kneifen? Zu wenig Zeit? Dann nimm’ sie dir eben!

Lass dich ein auf das Experiment Proust: Was macht Proust mit dir? Wie lang fühlt sich Prousts Reise in die Vergangenheit wirklich an? Siegen Faszination oder Langeweile? Und: Hältst du bis zum Ende durch? Lass dich ein auf die konsequente Verlangsamung: Echtzeit statt schneller Schnitte und Zeitraffer. Finde die Zeit wieder.

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Blog avec Proust


In Inspiration der Proust-Lesetagebücher fordern wird dich auf: Schick uns deine persönlichen Hör-Eindrücke an: urbane.literatur [at] gmx.de

Wir veröffentlichen deine Beiträge hier im Blog.

Was passiert mit dir an zehn Montagabenden? Und falls du vor der Zielgerade scheiterst: Warum?

Hör zu, berichte, tausch dich aus.

Das Proust Experiment beginnt. Traust du dich, dabei zu sein?

Promenade avec Proust


Noch ein Tipp: Einen kleinen Vorgeschmack auf Proust gibt es ab Mitte September in der Bochumer Innenstadt: An ausgewählten Stationen findest du Hinweise auf eine „Promenade avec Proust“ – halte die Augen offen und dein Smartphone bereit!


Erster Blogbeitrag:

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit: Angst



Infos & Kontakte:


Blog avec Proust/Promenade avec Proust:

Beiträge (und Fragen!) an: urbane.literatur [at] gmx.de


Lesereihe:

Termine: 24.09./08.10./15.10./22.10./29.10./05.11./19.11./26.11./03.12./17.12. (jeweils 20 Uhr).
Ort: Prinz-Regent-Str. 50-60, 44795 Bochum
Kartentelefon: 0234 – 77 11 17
Homepage: www.prinzregenttheater.de

Die Lesereihe ist ein Kooperationsprojekt zwischen der Literarischen Gesellschaft Bochum und dem prinz regent theater.

www.literarische-gesellschaft-bochum.de
www.prinzregenttheater.de

 

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