Selbstverantwortung der Künstlerschaft
Wer Freiräume nutzt, muss sich auch der Grenzen seiner Freiheit bewusst sein. Wie Verantwortung bei der künstlerischen Arbeit im Bereich der Öffentlichkeit unter freiem Himmel funktionieren kann.
Ein Beschreibungsversuch. Von Konstantin Adamopoulos.
Wie bin ich als Einzelne, als Einzelner in der Gemeinschaft sinnvoll? Das bleibt die komplexe Formfrage der Kunst, besonders der im urbanen Raum. Kunst bricht nicht zwangsläufig öffentlich festgelegte Regeln. Sicher hinterfragen KünstlerInnen Regeln, meist und unbemerkt ihre eigenen. Sie zeichnen sich allerdings auch darin aus, auf die Wirkungen von Regeln explizit hinzuweisen. Wer das dann als Belästigung oder Einschränkung erlebt, macht den Boten zum Schuldigen. Unsere Aufgabe als BetrachterInnen kann also einem konstruktiven Abgleich unserer mehr oder weniger bewussten Werte gleichkommen. Die Frage nach der Verantwortung für diesen, wohl gut gemeinten, Vorgang, will dieser kleine Essay anregen.
Möchte ich an einem Werteabgleich via Kunst teilnehmen und werde ich auf bezwingend interessante Weise darin involviert, erübrigt sich die Frage nach Verantwortung nur scheinbar. Fühle ich mich belästigt und zwangsrekrutiert, sollte die Frage nach meiner eigenen Mitverantwortung für einen positiven Ausgang sich nicht all zu schnell erübrigen. Verantwortung möchte ich am Beispiel Kunst als sinnvolles, wechselseitiges Verhältnis thematisieren. Mir geht es anhand des Begriffs Verantwortung um die Erweiterung meiner Wahrnehmung auf mein eigenes zukünftiges, noch in mir steckendes Potential sowie meine mich mitbedingende Umwelt und meine ergänzenden Mitmenschen.
KünstlerInnen erleben meiner Erfahrung nach in der immer von Neuem vorangetriebenen Selbstverantwortung ihres künstlerischen Tuns große Teile ihrer Selbstmotivation. Darin keimt eine ordentliche Portion Selbstermächtigung und Anarchie. Es geht also letztlich um die Überwindung des eigenen Schweinehundes, die Überwindung der als willkürlich erlebten Grenzen jeglicher „Couleur“ verkrusteter Verhaltensmuster. Wir als Publikum unterbieten in unseren liebgewordenen Ansprüchen manchmal diese Latte. Würde uns allerdings das uns Vorhersehbare und das uns Vorhersagbare schon genügen, müsste uns das selbst alarmieren. KünstlerInnen arbeiten weniger so genügsam. Sie werden zwar des Öfteren mit dieser Art „müdem Anspruch“ konfrontiert. In der Regel erleben die KünstlerInnen vorgegebene einschränkende Plan- und Machbarkeitsvorgaben. Auch wird für Ablaufpläne von AuftraggeberInnen und Behörden die Vorwegnahme des Prozesses gefordert, gerade bei Kunst im öffentlichen Raum.
KünstlerInnen wollen mehr als das, was sie schon gut können, wollen mehr riskieren als das, was sie schon erklären können. KünstlerInnen sprechen und schreiben dabei über „Kunst“, auch über ihre eigene. Ihre Erklärungen unterscheidet sich allerdings in der Regel von dem, was KünstlerInnen als ihre künstlerische Arbeit werten. Selbst LiteratInnen betiteln nicht automatisch ihre Aussagen über Literatur als Literatur. Es gibt Kunstvermittlung und es gibt „Kunst“. Eine Binsenweisheit, die aus einem eventuellen Dilemma folgen kann, lautet: `Kunst ist schon ihre eigene Vermittlung´. Die zusätzliche Vermittlung konzentriert sich auf einzelne Themen. Durch diese kommt eine weitere innere Haltungen zur komplexen künstlerischen Arbeit hinzu.
Die Vermittlungsarbeit von Musik kann hier als Beispiel herangezogen werden. Die singuläre Individualität von empfindungsbasierten Erfahrungen, die Einzigartigkeit von sinnlichen Erlebnissen ist wohl unbestritten.Darin manifestiert sich für mich, dass sich künstlerisches Tun gegen den trägen Erstanspruch über meine primären Erwartungen hinwegsetzen muss. Kunst sollte quasi aus einer gewissen Distanz zu mir als Publikum wirken. Mit anderen Worten: Wäre mir schon alles klar, bliebe mir nur Zynik oder Mitleid im Umgang mit meiner Umwelt. Auf der horizontalen Ebene würde das zu meiner eigenen Stagnation führen. Vertikal bleiben Besserwisserei als auch Mitempfinden meine menschlichen Herausforderungen cialis generico prezzo. Mir bieten Kunst und ihre Werke, Projekte, Prozesse transformierende Beschäftigung mit dem, was jeder für sich als bedeutsam gelten lassen möchte. Diese universelle Definition verbindet mich mit anderen zum teilhabenden Publikum. Unsere Verantwortung liegt also darin, ins Gespräch zu kommen mit uns selbst und mit den anderen um uns. Die Verantwortung der KünstlerInnen läge dann darin, den freien interpretatorischen Zugang nicht durch zu viel erwartete Eindeutigkeiten zu verhindern.
Wichtig wäre es sich die Frage zu stellen, inwiefern Kunst im öffentlichen Raum Menschen zur Vergewisserung ihrer selbst dienen kann – in Auseinandersetzungen um ihre Werte, nicht in blasser Eventbestätigung. Beides fordert und fördert starke Persönlichkeiten. Kinder haben Freude am Leben, an der Auseinandersetzung mit sich, den Dingen und den Mitmenschen – wenn wir Erwachsene ihre Grenzen überwindende Neugierde nicht einfangen, in unserer Angst um Überschreitungen. Kunst im öffentlichen Raum sieht sich dann nicht mehr dem Vorwurf ausgesetzt als Marotte einzelner auf Kosten der Gemeinschaft deklassiert zu werden, sondern bietet ästhetische Erfahrungsangebote, allerdings mit gewünschter Rückmeldung. Die Wirklichkeit der Kunst im öffentlichen Raum würde Anreize setzen, gemeinsam etwas zu schaffen, aus der Kompetenz der Einzelnen. Das bleibt in der Kunst selbst geformtes Angebot – Utopie. Das ist die Schule der Vorstellungskraft und der Verantwortung.
Die Publikation erfolgt nach Absprache mit dem Kuratorenkollektiv Amici Di Borgo. Der Text von Konstantin Adamopoulos erschien erstmals im ADB-Reader | #005 Juli 2010.