„Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber das Größte von diesen ist die Liebe“ (1. Korintherbrief, 13:13)

„Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber das Größte von diesen ist die Liebe“ (1. Korintherbrief, 13:13)

von Konstantin Adamopoulos

Kunstjournalist, Prozessbegleiter und Kurator des Bronnbacher Stipendienprogramms / Bronnbacher_Blick art@home

Das Milchmädchen bekam ich als Geschenk von Carsten Fock. Er war gerade noch Student an der Frankfurter Kunsthochschule „Städelschule“ in der Klasse von Per Kirkeby, dieser ungeheuren Malerpersönlichkeit. Das muss 1998 gewesen sein. Offensichtlich mochte mich Carsten. Das Motiv der Postkarte hatte er mit unzähligen silbrigen Filzstiftstrichen binnengerahmt. Die in sich selbst kitschige Finnlandpostkarte mit dem klischeehaften Mädchenlächeln und dem zur Kamera hin ganz leicht gedrehtem Körper in einer Art „Pseudotracht“ hat als Zentrum die beiden Hände, die ein volles Glas Milch dem Betrachter und der Betrachterin darzureichen scheinen. Carsten ging mit seinen Silberstrichen zum Teil über die rechten Puffärmel der Milchwerbefrau, was ihren einen Oberarm gegenüber dem zweiten deutlich verschmälert.

Diese übermalte Postkarte begleitet mich nun 20 Jahre und sie berührt mich sehr sehr oft. Manchmal muss ich sogar einen Kloß im Hals runterschlucken, wie auch gerade jetzt.

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Enno Schmidt hat anlässlich des Todes von Joseph Beuys eine hauptsächlich schwarzfarbige Zeichnung groß auf gekreuzten Pergamentpapierbahnen gemalt. Dann hat er es wohl irgendwie gefaltet und weggepackt. Meines Wissens wurde es nie wirklich ausgestellt. Kurz danach haben Enno und ich uns erstmals getroffen, verbunden mit Intuition durch einen Freund. Über Beuys und den erweiterten Kunstbegriff wusste ich wenig. Der Bronnbacher Tim Pieplau hat im letzten Jahr den ersten „Bronnbacher_Blick“ zur documenta mit vereinten Kräften auf den Weg gebracht. Dort konnte ich zu meinem ersten eigenen Beuys-Erlebnis im Jahr 1982 etwas beitragen. –

Konstantin 2Enno hat mir die gefalteten und lose verbundenen Blätter um 1988, also vor 30 Jahren, in unserer gemeinsamen Zeit in Frankfurt übergeben. Er wollte, dass ich sie rahmen lasse. Dabei bemerkte er, dass da ursprünglich vielleicht einige Blätter mehr waren, um ein tatsächliches Kreuz zu bilden, doch so, wie es dann war, erschien es ihm richtig. Das ganze Bild wie es ist fordert mich auf „ergänzt“ zu werden. Seit ich in Köln lebe, seit der Geburt meiner Erstgeborenen 2001, hängt das riesige Bild. Enno wurde dann später Taufpate von Helene, was wir in einem Zelt am „Baumkreuz“ gefeiert haben. Das ist dann eine andere Geschichte. – Die Zeichnung hängt weiter bei Katrin, Helenes Mama, was mich freut. Das ist ein guter Platz und ich atme immer tief durch, wenn ich daran denke. Helene lebt ja auch meist dort.

Auf der Schwarz-Zeichnung von Enno steht eine Rose im Mittelpunkt der Wahrnehmung. Enno spielt auf die „Rose für Direkte Demokratie“ an. Beuys sagte dazu „Knospe und Blüte sind tatsächlich umgewandelte grüne Blätter. Im Verhältnis zu den Blättern und dem Stiel bedeutet die Blüte also eine Revolution, die sich aber ganz langsam durch Transformation und Evolution vollzieht.“ Und weiter „Ohne die Rose tun wir’s nicht, da können wir gar nicht mehr denken.“

Nun, wie ich schon im letzten Bronnbacher_Blick-Text zu „7000 Eichen“ schrieb, werde ich wohl nie aufhören können, an solchen Kunstwerken zu arbeiten. Gewissermaßen scheinen sie an mir zu arbeiten. Sie brauchen mich in meinem Tun darüber. Ich möchte hieran wachsen und mit den in mir berührten Impulsen aus der Kunst möchte ich auch in meinem realen Leben wirksam sein. Das ist eine Art wechselseitiges Versprechen, das ich aus der Kunst höre.

Bei Johannes Stüttgen in seinem „Ganzen Riemen“ findet sich eine passende Stelle: „Der Garten der Pfade, die sich verzweigen” (Jorge Luis Borges). Das ist für mich das Bronnbacher Stipendium und damit herzlichen Dank an Tim.

Gewidmet Max Pohl im Gedenken

 

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