Gedanken zum Bronnbacher Selbstverständnis

Gedanken zum Bronnbacher Selbstverständnis

Unser Bronnbacher Alumnus Jannik aus dem 14. Jhg hat einen Hinweis gegeben, den Martin Schwemmle aus dem 9. Jhg aufgenommen hat. Daraus hat sich ein mir wichtiger Dialog ergeben, den ich hier, etwas bearbeitet, wieder geben darf:


Am 23.03.2019 um 11:23 schrieb Jannik Seger:

Lieber Martin, lieber Oliver,

gestern Nachmittag hatte ich mit Konstantin einige Gedanken zum Selbstverständnis des jeweils amtierenden Bronnbacher Jahrgangs sowie der Alumni in Gesamtheit besprochen, die mir vor einigen Tagen kamen.

Obgleich ich an dieser Stelle nur für meinen Jahrgang sprechen kann, liegt es nahe, dass die Thematik vorherige bzw. künftig Generationen ebenfalls, wenngleich in unterschiedlicher Ausprägung, betroffen hat bzw. betreffen wird.

M. E. n. beschäftigte sich der Diskurs zumeist damit, wie wir uns als (damals 14.) Jahrgang definieren, was uns wichtig ist, welches Selbstverständnis wir uns geben möchten. Außenwirkung wurde dabei, wenn sie denn zur Sprache kam, primär darüber artikuliert, dass man, insb. im Hinblick auf das Alumnichwochenende, die Erwartungen vorheriger Jahrgänge erfüllen müsste, sich gleichzeitig aber abgrenzen sollte bzw., wenn auch nur implizit angeklungen, die Messlatte bzgl. Programm und Redner jedes Jahr ein Stückchen höher zu legen habe. 

Was, wie mir erst rückschauend und durch den Vergleich mit anderen Stipendienprogrammen bewusst wurde, quasi nie thematisiert wurde, war, dass es eine Schar von Individuen und Institutionen gibt, die durch ihre Zuwendungen Wochenenden und institutionellen Rahmen erst ermöglichen.

Jeder dieser Mittelgeber (zusammenfassend für Stiftungen aller Rechtsformen, Unternehmen, Privatpersonen) hält den Bronnbacher Gedanken für unterstützenswert, verfolgt mit seinem Engagement allerdings auch gewisse Ziele bzw. möchte eine „Rendite“ auf sein eingesetztes, von verschiedensten ebenso förderungswürdigen Institutionen und Programmen umworbenes Kapital, erwirtschaften.

Wie die Ansprüche dieser „Stakeholder“ zu befriedigen sind, darüber wurde m. E. n. kaum gesprochen. Ich halte es für wichtig, dass jeder Kohorte möglichst früh, wenngleich auch nicht unmittelbar am ersten Wochenende oder während der Auswahlgespräche verdeutlicht wird, dass eine intime Auseinandersetzung mit Künstlern in der Stipendiatenfamilie, und damit Konstantins Arbeit, letztendlich nur deshalb möglich ist, weil es ebendiese Mittelgeber gibt.

Haben wir jemals eine Erhebung durchgeführt, welche Ziele von Mittelgebern verfolgt werden bzw. explizit um Stellungnahme gebeten? Macht es Sinn, diese zu sammeln, zu aggregieren und so letztendlich einen Anforderungskatalog zu kreieren bzw. eine Benchmark zu schaffen?

Viele Stiftungen und Stipendienprogramme (besonders solche, die aus Bundesmitteln finanziert werden, publizieren zumeist sogar eigene Jahresberichte) führen, teils von Mittelgebern dazu verpflichtet, teils aus eigenem Antrieb, bisweilen auch in Kombination, sog. „Impact Assessments“ durch. Bzgl. der Ausgestaltung der Programmfinanzierung habe ich keine stichhaltige Information: ist das Bronnbacher Engagement für bestehende Partner ein unantastbares Fixum, oder könnte es sein, dass Mittel mittel- bis langfristig signifikant reduziert oder gar gänzlich abgezogen werden? 

Im letztgenannten Fall halte ich eine Zieldefinition und aktive Kommunikation der Zielerreichung des Bronnbacher Programms für unabdingbar. Doch selbst wenn wir uns auf unsere treuen Förderer verlassen können, wäre es sicherlich ein probates Instrument, um neue Unterstützer zu werben.

Gedanken, Meinungen? Bitte meldet euch kurz zurück.

Liebe Grüße

Jannik


Von: Martin Schwemmle <martin.schwemmle@bronnbacher-alumni.de>
Gesendet: Montag, 25. März 2019 15:42
An: Jannik Seger
Cc: Oliver Spalt; Konstantin Adamopoulos
Betreff: Re: Bronnbacher Stipendium / Dialog mit Mittelgebern und Impact Assessment

Lieber Jannik,

vielen Dank für deine Nachricht und die Gedanken, die du dir gemacht hast. Zu deinen konkreten Frage: (1) Nein, meines Wissens liegt keine systematische Erhebung vor. Ich bin mir aber offen gestanden auch nicht sicher, ob das so zielführend ist bzw. ob damit zu sehr eine ökonomische Do-ut-des-Logik („‚Ich gebe, damit du gebest.“) Einzug halten würde, die mit dem Bronnbacher Gedanken nicht in Einklang zu bringen ist. Ich fände es daher besser, die beiden Gedanken zu trennen. Dazu gleich mehr. (2) Die Sponsoren sind teilweise langjährig dabei, aber nichts ist unantastbar. Das Stipendium in Bochum musste mangels Sponsoren gestoppt werden.

Grundsätzlich ist es durchaus wichtig für die Bronnbacher (aktive und Alumni) zu verstehen, dass das Programm nur dadurch existiert, dass es Menschen gab, die an die Idee glaubten und glauben und dies auch monetär zum Ausdruck bringen. Dass hierbei auch Partikularinteressen eine Rolle spielen mögen – bei Unternehmen sicher noch mehr als bei Individuen – mag sicher sein, aber ich fände es falsch, dass wir die abfragen, um sie dann einzuhalten und zu reporten. Der Tierschutzbund ruft ja auch nicht seine Spender an und fragt welche Tiersorte denn nun besonders geschützt werden soll, sondern die Spender vertrauen hier auf die Kompetenz des Mittelempfängers. Meines Erachtens wird daher andersherum ein Schuh draus: Es gibt ein etabliertes Stipendienprogramm mit einem (überarbeiteten) Kodex, der meines Wissens den Stipendiaten zu Beginn kommuniziert wird, sowie aktive Alumni mit Projekten. Und jede/r, der diesen Kodex und die Menschen, die ihn befürworten, oder genereller: die Aktivitäten des Kulturkreises, für unterstützenswert hält, darf die Bronnbacher unterstützen. Rein formal läuft das als Sponsoring und die Gegenleistungen – wie Nennung von Name und Logo – sind klar geregelt. Um die Sponsoren bei der Stange zu halten, ist eine aktive Pflege (beim letzten Alumniwochenende waren Stiftungsvertreter dabei, Weihnachtskarten, Jahrbücher) natürlich unerlässlich. (Nur der Vollständigkeit halber: Sämtliche Maßnahmen in diese Richtung müssen aber unbedingt mit dem KK abgestimmt werden!)

Wenn nun diese Unterstützer Geld, Kontakte oder was auch immer einfließen lassen, haben sie neben den vertraglichen Leistungen natürlich ein berechtigtes Interesse zu erfahren, ob denn die Bronnbacher ihren Kodex in die Realität umsetzen und ob damit der Bronnbacher Gedanke als Ganzes gefördert wird. Also: Bilden sie die Brücke von Kultur und Wirtschaft? Tragen sie den Bronnbacher Gedanken hinaus und prägen damit Gesellschaft? Diesen Fragen müssen wir uns aber nicht nur für die Sponsoren, sondern, schon aus Eigeninteresse heraus, für uns selbst stellen. Damit werden die Performancekriterien gerade nicht von außen, sondern vielmehr von innen heraus auf Basis des Kodex definiert. In diesem Bereich sehe ich gerade mehrere Aktivitäten: Wir beschäftigen uns als Alumni bei den Wochenenden im Herbst mit der Frage, wie wir mit dieser Verantwortung umgehen und was wir aktiv tun können. Die angestoßenen (und teilweise realisierten) Projekte wurden in Newsletter und an den Alumniwochenenden kommuniziert. Zudem schreibt Alumna Charlotte Rauth ihre Masterarbeit in diesem Bereich. Und Forscherinnen der FH Frankfurt untersuchen dies ebenfalls mit einem Forschungsprojekt. Unser Buch Bronnbacher Positionen zeugt ebenfalls von den Gedanken und Impulsen. Läuft was? Ja! Könnte mehr laufen? Immer! Wird die Performance systematisch erfasst und dieses ganze Narrativ an den aktuellen Jahrgang oder andere kommuniziert? Bisher nicht. Ergo: Hast du Lust, hier etwas anzustoßen und bspw. etwas für alle Stakeholder zusammenzustellen und gleichzeitig so als mahnendes Gewissen der Bronnbacher, dass sie eine Verantwortung haben, zu wirken? Herzliche Einladung! 

Damit viele Grüße

Martin

Am 26.03.2019 um 19:22 schrieb Jannik Seger:

Lieber Martin,

vielen Dank für deine aufschlussreiche Rückmeldung. 

Ich kann deine Argumentation sehr gut nachvollziehen; den Gedanken gegen die ökonomische Do-ut-des-Logik teile ich – vielleicht bestünde sogar die Gefahr, dass falsche Erwartungen aufseiten der Sponsoren aufkommen.

Danke auch für die Hinweise zur Untersuchung der FH Frankfurt und Charlottes Arbeit. Ich werde sie beim nächsten Mal (hoffentlich bei der Jahrestagung) persönlich darauf ansprechen. 

Für die Rolle eines mahnenden Gewissens der Bronnbacher halte ich mich, um ganz ehrlich zu sein, für zu jung, da ich aktuell selbst noch an der Masterarbeit schreibe. Ich denke, den Bronnbacher Gedanken weiterzutragen und andere zu ermuntern, dies ebenfalls zu tun, bedarf einiger Jahre Berufserfahrung und aktiven Vorlebens.

Danke für die Impulse!

Viele Grüße

Jannik

Am 26.03.2019 um 20:51 schrieb Martin Schwemmle <martin.schwemmle@bronnbacher-alumni.de>:

Lieber Jannik,

gerne! Gewissen-sein ist für mich keine Altersfrage. Ganz im Gegenteil kann es für die älteren Hasen eher aufrüttelnd und inspirierend sein, wenn ein junger Alumnus diese Frage aufbringt. Aber ich möchte dir da nichts aufdrängen. Vielleicht wäre die Teilnahme am Wochenende im Kloster im Herbst ein nächster Schritt und es könnten sich Mitstreiter finden? Charlotte (die bestimmt auch wieder dabei ist) würde sich bestimmt auch über eine Kontaktaufnahme vorher freuen – zu wissen, dass man an einem Thema schreibt, das andere interessiert, motiviert 🙂 Charlotte Rauth <Email-Adresse via Konstantin>

Viele Grüße

Martin


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Ich bin sehr froh, wenn solche zentralen Bronnbacher Diskussionen auch sichtbar werden, die ja offensichtlich innerhalb der Bronnbacher Kreise existieren (jetzt interner Blog nur nach erforderlicher Anmeldung).

Herzlich, Konstantin

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