Ein Film über das Eigentliche: Speed – auf der Suche nach der verlorenen Zeit
Eigentlich könnte er ja ganz glücklich sein, er, Florian Opitz. Erfolgreicher Filmemacher, glückliche Beziehung, einen kleinen Sohn, Anton. Aber irgendwie ist immer zu wenig Zeit da. Von Martin Schwemmle.
„Anton, komm jetzt, wir müssen in den Kindergarten.“ Eigentlich hat der Tag doch genügend Stunden, aber plötzlich ist wieder Abend und die To Do-Liste ist nicht kürzer geworden. „Anton, komm jetzt bitte!“. Wollen wir ein eigentliches Leben oder ein richtiges? Und wenn schon, wie kommt man da überhaupt hin? „Anton, ich muss zur Arbeit! Jetzt komm!!!“
Florian Opitz ist einer von uns. Von der Generation Speed. 36 Stunden am Tag erreichbar, das Handy stets in Griffnähe. Ganz für die Familie da, voller Einsatz im Job und ständig unterwegs. Aber irgendwie hat er genug davon, spürt, dass das nicht ewig so weiter gehen kann. In guter Journalistenmanier macht er sich also auf den Weg, die verlorene Zeit wiederzufinden. Die Stationen reichen von vollen Seminarräumen bis zu idyllischem Alpenpanorama.
Da ist Prof. Dr. Lothar Seiwert, Deutschlands Zeitmanagement-Guru. Der sollte wissen, wo die verlorene Zeit hin ist. Eigentlich. Sein Tipp: Priorisieren Sie die Dinge. Einen Rat, den Opitz schnell abtut. Das hat er vorher auch schon gewusst. Dumm nur, wenn man es nur weiß, aber nicht in die Tat umsetzt. Denn eigentlich ein ganz guter Tipp. Aber da sind wir schon wieder unterwegs zum nächsten Gesprächspartner. Dieses Mal ein Psychologe. Er hat eine beruhigende Botschaft: Wir leiden nicht an Burnout, aber sollten Maßnahmen ergreifen. Sein Stichwort: Abgrenzung! Definieren Sie klare Zeiten, an denen das Handy aus ist. Wieder so ein Tipp, den man eigentlich schon hundert Mal gehört hat, aber wer hat es denn schon wirklich probiert? Den Selbstversuch scheuen wir. Besuchen wir lieber einen, der es extrem gemacht hat: ein halbes Jahr ohne Internet und Handy. Wie ist das so? Was kommt jetzt? Ein nettes Gespräch. Und weiter nach London zu Reuters, da, wo Zeit Geld ist. Oder zum ehemaligen ESPRIT-Gründer, der nun Nationalparks gründet. Oder rauf auf die Alm zu einer Bauernfamilie in der Schweiz. Die ist glücklich – aber an zu wenig Arbeit kann es irgendwie auch nicht liegen, denn davon gibt’s auch in der Alpenidylle genügend. Wir kommen irgendwann wieder in Berlin an. Beim Sandkasten mit Anton.
Haben wir eine Antwort auf die Frage nach der verlorenen Zeit? Eigentlich nicht. Dazu ist der Film zu sehr Kind seiner Zeit, zu schnell, vielleicht zu oberflächlich. Aber kann der Film eine Antwort auf die Frage geben? Wahrscheinlich nicht, denn eines wird klar: Wir sitzen alle im gleichen Boot, aber so individuell wie die Lebensentwürfe jedes Einzelnen sind, so individuell wird auch die Antwort auf die Frage nach der verlorenen Zeit ausfallen. Denn was heißt eigentlich „verloren“ und was heißt dann „wertvoll“? Diese Antwort gibt kein Film, diese Antwort können nur wir selbst geben. Der Film liefert genügend Anknüpfungspunkte dafür. Versuch einer Zusammenfassung:
- Was ist eigentlich wirklich wichtig für mich? Ergo: Wofür gebe ich meine Zeit gerne her und wofür nicht?
- Wann schalte ich ab – mich und die ganze moderne Kommunikation?
- Wann lebe ich im Jetzt und nicht schon im Nachher?
- Wo liegt meine Passion? Denn: Wer für eine Sache brennt, erleidet keinen Burnout.
- Arbeit alleine ist nicht das Problem.
Also eigentlich doch kein schlechter Film? Eigentlich nicht. Ein sehr guter sogar!