Bronnbacher Stipendium: Von Dirigenten das Führen lernen
von Katrin Witte, Referentin Kommunikation der Karl Schlecht Stiftung, die das Bronnbacher Stipendium seit 2017 fördert
„Der wäre auch zu jedem Einzelnen hingegangen und hätte ihm ganz genau erklärt, wie er sich das im Detail vorgestellt hat“, berichtet Anna. „Bei dem Anderen hätte ich dafür nicht gewusst, was zu tun ist“, entgegnet Sebastian. „Der hat nicht geführt, der hat gefühlt“, merkt Frederik an und stellt sein Mikro wieder stumm. Ein kleines rotes Symbol erscheint links unten in seinem Bild. Der grüne Rahmen springt weiter.
Nun markiert er Anna-Sophie Brünings Video. Sie gibt heute einen Online-Workshop. Aber nicht etwa über Führung. Zumindest nicht über Führung in einem Unternehmen. Anna, Sebastian, Frederik und die anderen vergleichen mit ihr die Arbeit einiger Dirigenten. Vor dem Workshop konnten sie ihnen beim „Führen“ der Musiker zusehen – zumindest per Video, dank YouTube. Ob mit Taktstock, Elan, Gefühl oder Augenkontakt: Es gibt viele Wege, sein Orchester zu leiten. Da sind sie sich nun sicher. Mindestens genauso überzeugt ist Anna-Sophie Brüning: „Ihr alle werdet einmal Dirigenten sein“. Ein ermutigendes Lächeln macht sich auf ihrem Gesicht breit.
„Ihr“: Das sind 16 Stipendiaten des Bronnbacher Stipendiums. Keiner von ihnen studiert Musik. Stattdessen befassen sie sich mit Jura, Wirtschaftswissenschaften oder einem MINT-Fach am KIT in Karlsruhe oder an der Universität Mannheim. „Ihr werdet Dirigenten in einem Unternehmen“, ergänzt Brüning. Sie alle wollen einmal Führungsverantwortung übernehmen. Das Stipendium des Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI e.V. bereitet sie mit einem ungewöhnlichen Ansatz darauf vor.

In ihrem Unialltag begegnen die Studenten und Doktoranden eher selten Kunst und Kultur. Das Stipendium ändert das: Ein Jahr lang treffen sie auf Kunstvermittler, kunst- und kulturinteressierte Unternehmer und natürlich auch auf Kunst- und Kulturschaffende wie die Dirigentin Anna-Sophie Brüning, die ihnen einen Einblick in ihre Arbeit ermöglichen. Normalerweise persönlich. Doch Corona macht auch für die Stipendiaten keine Ausnahme.
Der Dirigenten-Workshop ist hingegen in gewisser Weise eine Ausnahme. Denn die Verbindung zum Thema „Führung“ ist bei den Veranstaltungen nicht immer so offensichtlich. Schließlich schnuppern die Stipendiaten auch bei Malern, Architekten oder Tänzern rein. Doch alle Workshops haben eins gemein: Sie leiten die Studenten an, selbst kreativ zu werden – eine wichtige Kompetenz für angehende Führungskräfte. Schließlich muss gute Führung neue Ideen und Lösungen generieren.
Dabei begegnen die Stipendiaten immer wieder Dingen, die sie nicht auf Anhieb verstehen oder umsetzen können. Sie spüren aktiv ihre Grenzen. „Dieser Zoom-Workshop war nur die Vorbereitung. Wenn wir uns persönlich treffen, möchte ich, dass jeder von euch einmal dirigiert“, stellt Brüning lächelnd fest. „Und das nicht nur im übertragenen Sinne“.
Ein paar spielen Klavier oder Schlagzeug. Einer im Orchester. Dirigiert hat bisher niemand. Doch keines der 16 kleinen, durchgestrichenen Mikros erlischt. Kein Kommentar. Keine Widerrede. Sie alle stellen sich dieser Herausforderung – wissend, dass sie dabei über sich selbst hinauswachsen können. Wissend, dass sie diese Herausforderung auf spätere Führungsaufgaben vorbereiten wird. „Selbst zu dirigieren, ist eine wertvolle Erfahrung. Führung ist nie so direkt spür- und sichtbar – außer vielleicht bei einem Dompteur im Zirkus“. Nun grinst nicht länger nur die Dirigentin. Diese Vorfreunde kann nicht einmal Zoom verbergen.
Die Karl Schlecht Stiftung fördert das Projekt „Bronnbacher Stipendium – Kulturelle Bildung für künftige Führungskräfte“ seit 2017.