„Architektur pur“ versus „ausgeklügelte Farbstatik“

„Architektur pur“ versus „ausgeklügelte Farbstatik“

Foto: Stefanie Hirsch

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Eine ganze Stadt diskutiert über die farbliche Gestaltung einer Brücke. Am Ende setzt sich Farbdesign gegen Architektur- und Technikpurismus durch. Oder kurz: Die Geschichte eines öffentlichen Bauprojekts.

Von Stefanie Hirsch


Seit ich im Juli umgezogen bin, wohne ich direkt am Bonner Rheinufer. Eine wirklich schöne Lage. Im Sommer sieht man das Grün der Bäume, die das Ufer säumen und im Winter gibt das kahle Geäst den Blick auf den Rhein frei. So sehe ich seit einigen Wochen jeden Morgen beim Frühstück Schiffe vorbei und unter der Kennedybrücke hindurch fahren. Letztere verbindet das Bonner Zentrum mit den Vororten auf der anderen Rheinseite. Mit ihren Anstrich in verschiedenen Grüntönen und einem dünnen grün-blauen Streifen in der Brückenmitte passt sie sich im Sommer gut in das Bild von Wasser und begrüntem Ufer ein.

Die Brücke sieht jedoch noch nicht lange genau so aus. Erst im Juli wurden die Bauarbeiten im Zuge einer seit 2007 andauernden Brückensanierung und Verbreiterung abgeschlossen. Während der Bauzeit bewegte insbesondere die farbliche Neugestaltung der Brücke die Gemüter der Bonner. Die Fertigstellung lieferte nun noch einmal Anlass, diese Diskussion wieder aufleben zu lassen und in vielen Gesprächen wurde das Ergebnis bewertet.

Mit meiner Meinung, dass die Farbgestaltung sehr gelungen sei, stand ich dabei allerdings relativ alleine. Die meisten entgegneten mir, dass es ein einfacher Anstrich auch getan hätte. Sie empfinden die verschiedenen Farbtöne als Schnickschnack und ärgern sich über die entstandenen Mehrkosten. Als Neu-Bonnerin hatte ich die zugehörige Vorgeschichte nicht mitbekommen. Erinnert durch den allmorgendlichen Blick auf die Brücke begann ich mich nachträglich in die Thematik einzulesen.

Verschiedenste projektbezogene und städtische Gremien befassten sich mit der Farbfrage, ein Farbsachverständiger wurde beauftragt, Probeanstrich wurden auf die Brücke aufgebracht, die politischen Parteien bildeten sich eine Meinung und die Regionalzeitung „General-Anzeiger“ veranstaltete eine Umfrage unter den Bürgern der Stadt … das alles fand bereits zu Beginn der Baumaßnahmen im Jahr 2007 statt. Knapp ein Jahr später entschied sich der Projektbeirat auf Basis verschiedener Vorschläge für ein vom Farbdesigner Peter Zoernack empfohlenes Konzept der „Farbstatik“. Der General-Anzeiger zitiert Zoernack folgendermaßen: „Dort wo die Lasten der Brücke aufliegen, ist die Farbe dunkel. Dort wo die Lasten frei schweben, ist sie heller. Die dunkle Farbe trägt also die hellere.“ Dies entspräche einer Synthese aus Tarnung und Betonung.

Im Oktober 2009 ließ der Architekt Stefan Schmitz die Diskussion noch einmal neu aufleben. Er hat die Plätze gestaltet, die sich auf beiden Uferseiten an die Brücke anschließen und war in die Brückensanierung und Neugestaltung als Berater involviert. Obwohl der General-Anzeiger bereits im Mai 2008 über das beschlossene Farbkonzept berichtet hatte, behauptete Schmitz, er habe erst kurz zuvor zufällig erfahren, dass es sich bei dem geplanten Anstrich nicht um ein einheitliches grün, sondern um mehrere verschiedene abgestufte Farbtöne handeln solle. In einem Brief an alle Ratsfraktionen sprach er sich entschieden gegen eine solche Gestaltung der Brücke aus. Wieder berichtet der General-Anzeiger und zitiert aus Schmitz Brief: „Bauwerke dieser Art bedürfen keiner »Aufhübschung« durch aufgesetzte Farbgestaltung.” Gerecht werde der Brückenarchitektur nur eine einheitliche Farbgebung. Licht und Schatten erzeuge dann die Nuancierung. „Das”, so Schmitz, „reicht vollkommen.”

Foto: Stefanie Hirsch

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Hier standen sich also Architekturpurismus und ausgeklügelte Farbstatik gegenüber. Schließlich wurde aber trotz der Intervention durch Stefan Schmitz doch das bereits beschlossene Konzept umgesetzt. Die einzigen, die für einen einfachen grünen Anstrich plädierten, waren – nicht ganz verwunderlich – die Grünen.

Ob einem die abgestuften Grüntöne in den statischen Zusammenhang gesetzt nun gefallen oder nicht, ob man grundsätzlich dafür ist, sich bei Funktionsbauten gestalterisch im Hintergrund zu halten ist Geschmackssache und für Einzelne sicher eine Prinzipienfrage. Letztlich kann man dafür sein oder dagegen. Aber die entstandenen Mehrkosten hängen nicht nur mit dem gewählten Farbkonzept zusammen. Durch den langen Prozess der Entscheidungsfindung konnte der Anstrich nicht gleich mitgeplant und in die Prozesse eingebunden werden. Dadurch wurde er am Ende teurer als nötig.

Natürlich könnte man argumentieren, dass intensive Entscheidungsfindung unter der Beteiligung vieler Akteure auch ihren Wert hat. Es ist jedoch zu bezweifeln, ob die lange Diskussion in diesem Fall die Beteiligten zufriedener gemacht hat.

 

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